“Through many years of experience in the Global South and in Europe, it was clear that inclusion as a principle is not necessarily part of common understanding when it comes to the topic of structural and societal inequalities. The power structure that exists in our internalized cultural education Is mirrored in our work, community and activism spaces as well. The labor attached to deal with these power structures effects the quality of work, communication and mental health of group members.
I can express confidently on basis of my work history that having the awareness of these dynamics, creating spaces to reflect and create strategies to take steps towards equality within a collaborative atmosphere is something which can be benefited from in many ways.” (Kholoud Bidak)
“Auf der Grundlage meiner Arbeit bin ich zuversichtlich, dass das Bewusstwerden dieser Dynamiken, das Schaffen von Räumen zur Reflexion und die Entwicklung von Strategien für Schritte in Richtung Gleichberechtigung in einer kollaborativen Atmosphäre etwas ist, von dem man in vielerlei Hinsicht profitieren kann”, fährt Kholoud Bidak in der Reflexion über die eigene Arbeit fort.
Bewusstsein zu schaffen, ist der erste Schritt. Einen Raum zu öffnen und im Reflexionsprozess begleitet zu werden – dafür war in der dreistündigen co:lab X Session am 5. September mit Kholoud Bidak Zeit. Sehr wenig Zeit, ehrlicherweise. Die Auseinandersetzung mit Machtstrukturen, die von Rassismus, Ableismus, Heteronormativität, Klassismus, Sexismus und anderen ideologischen Diskriminierungsdimensionen geprägt sind, ist schließlich ein langwieriger und auch schmerzhafter Prozess. Es ist eine Lernreise, während der einiges an mangelndem Bewusstsein für die eigene Verletzlichkeit und die der anderen sichtbar wird. Wer erwartet hatte, im Workshop eine Menge inhaltlichen Input zu bekommen und nach anschließender Diskussion nach Hause zu gehen, hatte sich verrechnet. Vielmehr war es notwendig, sich auf die Langsamkeit des Prozesses einzulassen und bereit zu sein, sich inklusive aller eigenen wunden Punkte zu zeigen.
Kholoud Bidak öffnete den Raum mit einer Vorstellungsrunde. Jede*r Teilnehmende war zunächst aufgefordert, eine fünfblättrige Blume auf ein Blatt Papier zu zeichnen, deren Blätter jeweils für eine unkonventionelle Sache standen, die sie im Anschluss über sich erzählen sollten. Die Übung war dazu gedacht, Verletzlichkeit zuzulassen und Empathie zu schaffen.
Danach ging es los mit Gruppenarbeit und direkt ans Eingemachte. In die erste Reflexionsrunde schickte Kholoud Bidak die Anwesenden mit folgender Frage: “Was machst du, wenn dir jemand sagt, dass du dich diskriminierend verhältst?" Was die Teilnehmenden zunächst in einer vertraulichen Vierer-Runde dazu besprachen, durften sie im Anschluss im Plenum teilen. Bei den Teilnehmenden rief die Frage Gefühle von Nachdenklichkeit, Scham und Beklommenheit hervor, jedoch auch Offenheit gegenüber dem eigenen Verhalten und eine große Bereitschaft zu lernen. Die anschließenden Fragen widmeten sich der Bezeugung und Co-Fazilitation von diskriminierenden Situationen: “Wann hast du schon einmal zu einer diskriminierenden Situation beigetragen?” Einige Teilnehmende mussten länger nachdenken. Anderen fielen direkt Beispiele ein wie Mikro-Aggressionen am Arbeitsplatz, körperliches und verbales Mobbing sowie die Verwendung von rassistischer, queerfeindlicher und/oder sexistischer Sprache. Wichtig hierbei war, sich dieser Situationen bewusst zu werden und sie besprechbar zu machen. Dafür ist es nötig, sich einander verletzlich gegenüber zu stehen, um das eigene Verhalten als real anzuerkennen und mithilfe anderer Perspektiven daraus zu lernen.
Im weiteren Verlauf des Workshops fragte Kholoud Bidak nach den Definitionen zu einer Reihe von Begriffen wie gender expression vs. gender presentation, gender ID vs. gender role, sexuality, gender performance oder Pink-Washing. Nach einer kurzen Verständigung dazu in der großen Runde, hatten die Teilnehmenden Zeit in Gruppen darüber zu sprechen, inwiefern diese Themen bereits bei ihrer Arbeit (im sozialen Sektor) präsent sind. Pink-Washing ist beispielsweise eine gängige Praxis, bei der Unternehmen Unterstützungsbotschaften für die LGBT+-Gemeinschaft verwenden, um für ihre Produkte oder Dienstleistungen zu werben, ohne sich wirklich für den Kampf für LGBT+-Rechte oder die LGBT+-Personen selbst einzusetzen. Ebenso häufig kommt es vor, dass Unternehmen und Institutionen vor allem deshalb die Rolle einer*s Diskriminierungsbeauftragte*n einrichten, weil es einen externen Druck gibt und/oder beim Recruiting bestimmte Zielgruppen angesprochen werden sollen, sie sich aber nicht die tieferliegenden Strukturen und eigenes diskriminierendes Verhalten bewusst machen. Auf diese Weise wird der Arbeitsplatz nicht zu einem Ort, an dem sich von Diskriminierung Betroffene sicher fühlen können.
Erfreulicherweise gibt es aber auch Organisationen und Unternehmen, die sich durchaus ernsthaft damit beschäftigen, fundamental gegen diskriminierendes Denken und Verhalten vorzugehen und ein Diversity Management einzuführen, das wie in der Charta der Vielfalt beschrieben, ein ganzheitliches Managementkonzept ist. Dieses ist “auf die Anerkennung und Wertschätzung aller Mitarbeitenden ausgerichtet – unabhängig von Persönlichkeitsmerkmalen, Lebensstilen oder -entwürfen. Es umfasst alle Strategien, Maßnahmen und Instrumente, die Vielfalt in der Organisation fördern und gestalten. Ziel ist es, Gemeinsamkeiten und Unterschiedlichkeit der Belegschaft zu erfassen, organisationsrelevante Aspekte dieser Vielfalt zu identifizieren und Arbeitsumfelder zu schaffen, die inklusiv und frei von Vorurteilen sind.” (Charta der Vielfalt e.V.)
Wie unterscheidet sich nun intersektionale Kollaboration von einer herkömmlichen Zusammenarbeit? Für intersektionale Kollaboration ist grundlegend, dass sich alle Beteiligten der Machtstrukturen, die die Benachteiligung marginalisierter Gruppen unterstützen, bewusst sind und sie gemeinsam auflösen wollen.
Der Workshop mit Kholoud Bidak im Rahmen der co:lab X Reihe kann hier als Impuls verstanden werden, um ein Verständnis dafür zu entwickeln, welche Rolle Diskriminierung in der Zusammenarbeit spielt. Das Bewusstmachen von eigenem oder co-fazilierendem diskriminierendem Verhalten sowie Privilegien gegenüber Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, ist der erste Schritt auf dem Weg in eine intersektionale Kollaboration. Organisationen und Unternehmen, die den Weg in eine intersektionale Kollaboration intern und mit Partner*innen weitergehen wollen, legt Kholoud Bidak die Charta der Vielfalt nahe.
Als Schlüssel für ein Gelingen von intersektionaler Kollaboration nennt Kholoud Bidak Empathie, Multiperspektivität und (Selbst-)liebe. Das bestätigt den Ansatz, Kollaboration zwingend mit Wellbeing zusammenzudenken.
Kholoud Bidak ist ein*e queer-feministische*r, intersektionale*r BIPoC-Aktivist*in und politische*r Pädagog*in mit Schwerpunkt auf Menschenrechten, Vielfalt und Intersektionalität. Kholoud Bidak hat über 20 Jahre Erfahrung in NGOs, Kollektiven und im privaten Sektor auf dem afrikanischen Kontinent, im globalen Süden und in Europa. Zu Kholoud Bidaks Arbeitsbereichen gehören Schulungen und Workshops, Beratung, Mediation und Supervision, Leitung von Organisationsentwicklungsprozessen, Organisation von Veranstaltungen, Schreiben und Übersetzungen.
Die co:lab X-Reihe ist Teil des betterplace co:lab-Programmes. Alle weiteren Informationen zum Programm findet ihr auf unserer Webseite.
Das Programm betterplace co:lab ist ein Projekt des betterplace lab. Als Förderer für den Anschub der zweiten Runde sind die Schöpflin Stiftung und die BMW Foundation angetreten.