In unserem neuen Projekt Digital Female Futures erforschen wir die digitale Kompetenzförderung für Frauen mit niedrigem Einkommen.
Wir wissen noch nicht, wie die Arbeitswelt von Morgen aussieht. Allerdings steht jetzt schon fest, dass sie digitaler sein wird. Neue disruptive Technologien beschleunigen Arbeitsabläufe, verändern Berufsfelder und krempeln ganze Branchen um. In den vergangenen Pandemie-Jahren ist nochmals spürbarer geworden, was die Digitalisierung der Arbeitswelt bedeutet. Wo es möglich war, konnten Beschäftigte von den eigenen vier Wänden aus arbeiten, remote auf Netzwerke und Dateien zugreifen oder sich in Online-Meetings einwählen. Arbeitswelt im Wandel bedeutet allerdings nicht nur remote work und flexiblere Arbeitszeiten, sondern geht auch mit einem zunehmenden Veränderungsdruck einher. Technologische Neuerungen wie auch weitergehende gesellschaftliche Entwicklungen stellen immer wieder neue Anforderungen an Beschäftigte.
Vor diesem Hintergrund gelten digitale Kompetenzen nicht nur als unabdingbar für die digitalisierte Arbeitswelt, sondern als Schlüssel für wirtschaftliche Teilhabe – im Heute wie auch in Zukunft. Digitale Kompetenzen sind nicht trennscharf definiert, sondern umfassen eine Reihe von Fähigkeiten, Fachwissen, Einstellungen und Querschnittsthemen in und für die digitalisierte (Arbeits-)Welt. Darunter fallen sowohl grundlegende digitale Fähigkeiten, z. B. die Speicherung von Dateien oder die Nutzung von Sozialen Medien (basic skills), wie auch die Beherrschung von Programmiersprachen (advanced skills). Ergänzend zu diesen “echten” digitalen Kompetenzen gelten auch elementare menschliche Fähigkeiten, wie kritisches Denken oder eine kollaborative Zusammenarbeit mit anderen, und sogenannte Meta Skills – u. a. Flexibilität, Selbstführung oder Verantwortung – als essentielle Bausteine, um an der Arbeitswelt aktiv teilhaben zu können.
Wer in Zukunft Erwerbsarbeit nachgeht und dadurch seinen Lebensunterhalt finanziert, kommt nicht um das Erlernen von digitalen Kompetenzen herum. Akteur*innen aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft haben dies erkannt und so findet sich unter dem Stichwort Lebenslanges Lernen bereits eine Vielzahl von non-formalen Weiterbildungsmöglichkeiten. Diese reichen von Schulungen in Betrieben und Organisationen bis hin zu Abendkursen und Online-Seminare für Menschen, die sich individuell weiterbilden möchten oder müssen.
Dem Wissen, dass digitale Kenntnisse und Fertigkeiten immer bedeutender werden, steht allerdings eine ungerechte Realität gegenüber. Bestehende Ungleichheitsverhältnisse in unserer Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt, insbesondere zwischen Männern und Frauen(1), spiegeln sich auch in der Verteilung digitaler Kompetenzen wider. So existiert ein durchgängiges Gefälle zwischen den Geschlechtern – und das unabhängig von Alter, Bildung oder beruflichem Status (Initiative D21 2020). Dies trifft sowohl auf digitale Grundkompetenzen wie auch auf komplexere digitale Fähigkeiten zu. Darüber hinaus haben Frauen in Deutschland weniger Zugang zu technischen Geräten und digitalen Anwendungen als Männer.
Frauen mit niedrigem Einkommen werden insbesondere benachteiligt. In einer umfassenden Studie haben Caroline Bolz und ihre Kolleg*innen (2019) gezeigt, dass nur ein Bruchteil der Frauen, die über geringe Einkünfte verfügen in beruflicher und finanzieller Sicherheit lebt. Die Gründe sind vielfältig: unsichere Arbeitsverhältnisse, Beschäftigung in Teilzeit oder zu geringe Löhne. Zur prekären Erwerbssituation kommt bei vielen Frauen, insbesondere Müttern, die Herausforderung hinzu, Beruf und Familie zu vereinbaren. Die Betreuung von Kindern, die Pflege von Familienangehörigen oder die ungleiche Aufteilung familiärer Fürsorgearbeit können eine zusätzliche Belastung sein. Schwierige Lebenslagen wirken sich wiederum nachteilig auf die Perspektiven am Arbeitsmarkt aus und erschweren die Möglichkeit, an Weiterbildungsangeboten teilzunehmen und digitaler zu werden. Langfristig besteht damit das Risiko, dass die Benachteiligung von Frauen mit geringem Einkommen in der digitalisierten Arbeitswelt weiter zunimmt.
Was kann gegen den Gender-Gap bei digitalen Kompetenzen getan werden? Was brauchen gerade Frauen mit niedrigem Einkommen, um erfolgreich digitaler zu werden? Wie können sie gut gefördert werden und welche Organisationen sind hier schon heute aktiv? Mit diesen Fragen beschäftigt sich unser neues Forschungsprojekt Digital Female Futures.
Mit dem vor Kurzem gestartete Projekt Digital Female Futures möchten wir einen Beitrag leisten, die digitale Kompetenz-Kluft zwischen den Geschlechtern zu reduzieren und Frauen mit niedrigem Einkommen zu empowern, gleichberechtigt an der digitalisierten Arbeitswelt teilzuhaben. Unser Ansatz: Wir erforschen, welche Angebote es bereits heute in der digitalen Kompetenzförderung für Frauen mit geringem Erwerb gibt und machen diese sichtbar. Dazu sprechen wir mit Bildungsanbieter*innen, Vereinen sowie den Teilnehmer*innen selbst, die sich für einen Kurs oder ein Programm zur digitalen Kompetenzförderung entschieden haben. Ein besonderes Augenmerk legen wir auf innovative Ansätze. Darunter verstehen wir nicht nur den Einsatz neuester Technologie, sondern stattdessen andere Denkweisen und vielleicht auch unkonventionell anmutende Lösungen für eine bestmögliche Förderung. Auch interessiert uns, mit welchen unterstützenden wie auch hinderlichen Faktoren, Anbieter*innen und Projekte in ihrer Arbeit konfrontiert sind.
Wir verschaffen uns einen Überblick über Akteur*innen in insgesamt vier Regionen in Deutschland, die in der digitalen Kompetenzförderung für Frauen aktiv sind.
Wir führen Gespräche, entdecken Geschichten und identifizieren, was Bildungsangebote speziell für Frauen mit niedrigem Einkommen erfolgreich macht. Was wir dabei herausfinden, fassen wir in einer Studie zusammen.
Unserer Ergebnisse werden wir im Rahmen von Round-Table-Gesprächen mit Expert*innen, Anbieter*innen, potentiellen Förder*innen und Teilnehme*rinnen von Angeboten vorstellen, diskutieren und weiterdenken.
Am Ende des Projekt ziehen wir die Fäden zusammen und skizzieren anschließende Fördermöglichkeiten und ein potentielles Programm, um innovative Ansätze in der digitalen Kompetenzbildung für Frauen mit geringem Einkommen zu stärken.
Diese Schritte möchten wir nicht alleine gehen, sondern zusammen mit Anbieter*innen, Initiativen und Netzwerken. Wir freuen uns deshalb schon jetzt über jedes Interesse oder Rückmeldungen zum Projekt und unserer Arbeit.
Das Projekt Digitale Female Futures wird gefördert von J.P. Morgan. Das Unternehmen setzt sich weltweit in 37 Ländern im Rahmen eigener Programme und in Zusammenarbeit mit Organisationen für mehr wirtschaftliche Teilhabe und Chancengerechtigkeit ein.
(1) In Deutschland besteht zwischen Männern und Frauen weiterhin eine deutliche Entgeltlücke von 18 Prozent. Laut Bundesagentur für Arbeit arbeiteten 2020 fast viermal so viele Frauen wie Männer in Teilzeit und fast zwei Drittel aller Beschäftigten im Alter zwischen 15 und 65 Jahren, die eine geringfügige entlohnte Beschäftigung ausüben, sind weiblich. Ein Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung zeigt zudem, dass nicht-deutsche Frauen im Niedriglohnsektor deutlich überrepräsentiert sind. An dieser Stelle würden wir gerne die Dichotomie “Mann/Frau” hinter uns lassen und geschlechtliche Diversität abbilden. Leider bietet die empirische Sozialforschung in Deutschland, z. B. zu unterschiedliche Positionen am Arbeitsmarkt, bisher keine repräsentativen Daten (de Vries et al. 2020).