Der Status Quo:
Zu Beginn des Internetzeitalters sah es so aus, als ob die neuen, offenen und freien Debattenräume demokratischen Prinzipien weltweit zum Siegeszug verhelfen würden. Öffentliche Diskurse, die nun auch für vorher kaum hörbare Stimmen zugänglich waren, sollten ein Zusammenrücken der Gesellschaft erwirken. Doch wir erleben, dass individuell ausgespielte Realitätskonstruktionen gesellschaftliche Polarisierung verstärken. In digitalen Räumen können wir die Auswirkungen minutiös beobachten: Falschinformationen zirkulieren in unseren sozialen Netzwerken genauso wie gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit. Neben freiem Wissen werden wir vermehrt mit Desinformationen konfrontiert, statt fairen Debatten ergießen sich simplifizierte Stimmungsmache und hasserfüllte Botschaften in unseren Timelines. Verschiedene Studien attestieren jeder dritten Person in Deutschland eine Verschwörungs-Mentalität und Erfahrungen mit sowie die Angst vor Online Hassrede schränken die freie Meinungsäußerung ein.
Die Ursachen der menschen- und demokratiefeindlichen Phänomene liegen wie meist nicht in der Technologie, jedoch verstärken Mechanismen im Digitalen die Symptome: In einer plattformisierten Gesellschaft sammeln Technologieunternehmen Daten über ihre Nutzer*innen und setzen diese algorithmen-gestützt ein, um Menschen möglichst lange auf der Plattform zu behalten oder sie anderswie in ihrem Verhalten zu beeinflussen. Die Aufmerksamkeitsökonomie belohnt polarisierenden Content und bietet somit den Boden für Desinformation und Hass. Wird diese Spirale nicht aufgehalten, kann sie in der Konsequenz unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt untergraben.
Unsere Vision für 2030:
Wenn wir die richtigen Weichen stellen, können wir wieder an das Potential anknüpfen, das die digitale Revolution bereithält. Wir können eine Welt schaffen, die so aussieht:
Unsere Forderungen an die Politik:
Wir fordern eine Digitalpolitik, die das diskursive Potential digitaler Technologien in den Mittelpunkt stellt und den Weg ebnet für einen gesellschaftlichen Haltungswandel.
Digitale Plattformen regulieren, moderieren und beforschen:
Tools gegen demokratiefeindliche Inhalte fördern: Debunking-Funktionen gegen Desinformation und Meldefunktionen von demokratie-feindlichen Inhalten werden standardmäßig und nutzer*innenfreundlich in allen Plattformen implementiert. Die Funktionsweise dieser Lösungen wird kontinuierlich evaluiert und angepasst.
Gemeinwohlorientierte oder genossenschaftliche Plattformen aufbauen: Langfristig ermöglicht ein Infrastrukturfonds für FOSS (inkl. Förderung von Wartungsarbeiten) die Entwicklung von Plattformen, die in ihrer Logik für ausgewogenen Diskurs gestaltet sind.
Medienkompetenz von Individuen stärken: Bildungsangebote werden flächendeckend und zielgruppengerecht angeboten, um für den kompetenten und sicheren Umgang der Nutzer*innen im Netz zu schulen. In der Jugend- und Erwachsenenbildung – ob in Schulen, sozialen Einrichtungen oder dem Arbeitsort – gehören Medienkompetenz Programme zum Standard-Repertoire.
Weitere Ideen und Vorschläge für die Digitalisierung von Morgen haben befreundete Organisationen entwickelt. Schaut euch alle Digitalvisionen an.
Autorin: Katja Jäger, Betterplace Lab. Katja Jäger ist überzeugt, dass in der Digitalisierung lauter Potentiale stecken, die zum Wohle der Menschheit eingesetzt werden sollten. In den letzten Jahren hat sie genauer untersucht, wie Digitalisierung und Demokratie zusammengehen.