“Aber da stürzten sie auch schon durcheinander. Die drin waren, wollten wieder heraus. Die draußen standen, wollten hinein. Es gab ein fürchterliches Gedränge! Endlich landeten sie alle wieder im Freien. Sie blickten einander ratlos an und fragten aufgeregt: „Was war denn eigentlich los?” Der Schuhmacher überlegte und sagte: „In unserm Rathaus ist es dunkel!”
Da stimmten alle zu. Aber woran lag es? Lange wussten sie keine Antwort. Am Abend trafen sie sich im Wirtshaus. Sie besprachen, wie man Licht ins Rathaus hineinschaffen konnte.” [Quelle]
Diese Geschichte kam mir in den Sinn, als wir mit Antonia Muschner und Malte Jütting vom Center for Responsible Research and Innovation (CeRRI) am Fraunhofer Institut das Tool zur Stakeholderanalyse ausprobierten:
Wir bekamen für den Versuch eine Aufgabe, zu der wir keinerlei Expertise hatten und versuchten einen Lösungsweg zu finden, in dem wir uns anhand vorgegebener Rollen überlegten, wer an der Umsetzung alles beteiligt sein sollte und wie die Zusammenarbeit ineinander greifen müsste, um eine nachhaltige Veränderung herbeizuführen – wir imaginierten ein Innovationsökosystem.
In der Beschreibung des INNOVATION ECOSYSTEM STRATEGY TOOL berufen sich die Forscher*innen des Fraunhofer Instituts auf die Definition von Carayannis und Campbell (2009): “In einem Innovationsökosystem treffen Menschen, Kultur und Technologie aufeinander und interagieren, um Kreativität zu fördern, Erfindungen anzustoßen und Innovationen über wissenschaftliche und technologische Disziplinen hinweg sowie im öffentlichen und privaten Sektor zu beschleunigen. Die grundlegenden Prinzipien dabei lauten Ko-Existenz, Ko-Evolution und Ko-Spezialisierung.”
Gesellschaft als ein sich ständig wandelndes System muss in Prozessen gedacht werden – Politik, Wissenschaft, Wirtschaft spielen dabei eine Rolle. Das Innovationsökosystem setzt sich also aus vier Sphären zusammen (wie in der Titelgrafik dargestellt). Ressourcen wie Wissen und Kompetenzen werden einbezogen.
Die Forschung zeigt, dass Organisationen, die kollaborativ arbeiten, sich besser an sich verändernde Bedingungen anpassen können und attraktiver für junge Fachkräfte sind. Besonders in der Corona-Pandemie wird deutlich, wie stark alles miteinander verwoben ist und dass nur ein Zusammenwirken funktionieren kann.
Um Innovation kollaborativ voranzutreiben, brauchen wir a) Offenheit für neue Akteur*innen, b) die Bereitschaft, Prozesse miteinander zu gestalten und c) Wissenschaft in einer neuen Rolle, nämlich als Mittlerin, um das Ökosystem voranzubringen.
Das Tool des CeRRI am Fraunhofer Institut bezieht sich vor allem auf den 2. Punkt. Damit geht es um Fragen wie: Ist sich ein Netzwerk über sein Wertversprechen im klaren? Welcher Bedarf wird an das Ökosystem adressiert und auf welche Art und Weise? Welche Reichweite hat das Ökosystem? Wie sieht die Architektur des Ökosystems aus: wer arbeitet wie zusammen, wie werden Entscheidungen getroffen? Um welches Ertragsmodell handelt es sich? Welche Materialien und Ressourcen braucht das Ökosystem. Wie wird ein gemeinsamer Wert geschaffen?
Das Tool hilft vor allem bzgl. der Ökoystemarchitektur: Es unterstützt dabei, das Ziel der Zusammenarbeit zu definieren, Funktion und Rollen der Akteur*innen transparent zu klären, ebenso wie Formate und die Erwartungsperspektiven – es beschreibt quasi das “Geschäftsmodell der Kollaboration“
Entwickelt wurde das Tool auf Grundlage empirischer Forschung. Hervorragende Innovationsnetzwerke wurden dabei analysiert. Dabei identifizierten die Forscher*innen 23 Rollen in Innovationsnetzwerken. Unsere Workshopgruppe war viel zu klein, um bei dem Versuch das Tool zu verwenden, alle 23 Rollen einnehmen zu können. Das machte aber gar nichts, denn der Mangel half uns darüber bewusst zu werden, welche Rollen noch zu besetzen wären. Schnell wurde klar, dass wir nicht in allen vier Sphären genügend Akteur*innen an Bord hatten, z.B. war niemand aus der Wissenschaft dabei.
Gut beraten sind wir, die fehlenden Rollen zu besetzen, sonst wird auf Empfehlung des Hufschmieds am Ende das Licht mit Eimern und Säcken ins Rathaus getragen.
Man kann mit dem Tool Prozesse wie den Rathausbau in Schilda reflektieren oder aber es für die Gegenwart und Zukunft anwenden. Es steht zusammengefasst in einem übersichtlichen Papier als Download bereit. Als weiterführende Lektüre sei diese Dissertation von Florian Schütz empfohlen, in der das Modell angewendet wird.