Alle, die sich gegen Rechtsextremismus, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für eine demokratische, offene Gesellschaft einsetzen, brauchen mehr Anerkennung und Planungssicherheit. Das diskutierte Demokratiefördergesetz setzt genau da an. Deswegen schließen wir uns den Forderungen von insgesamt 60 Organisationen an und veröffentlichen gemeinsam diesen OFFENEN BRIEF an die Bundeskanzlerin und alle Mitglieder des Bundeskabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus.
"Am 25.11. kommt der Kabinettsausschuss zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus zu seiner dritten und voraussichtlich letzten Sitzung zusammen. Eingerichtet nach dem rassistischen Anschlag in Hanau, hörte der Kabinettsausschuss unter dem Vorsitz der Bundeskanzlerin zuletzt im September Stellungnahmen von Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Zentrale Forderungen waren hier die strategische Einbettung aller Maßnahmen in eine Bundeskonzeption, die Streichung des Rassebegriffs aus dem Grundgesetz, ein garantierter Einbezug der Zivilgesellschaft über neue Gremien wie einen Partizipationsrat, Mittel für die Rassismus- und Rechtsextremismusforschung sowie eine nachhaltige Stärkung zivilgesellschaftlichen Engagements, gerade von Migrantenorganisationen.
In der abschließenden Sitzung des Kabinettsausschusses soll nun ein neues Maßnahmenpaket verabschiedet werden. Nach Medienberichten steht hier unter anderem die „bessere Finanzierung“ zivilgesellschaftlicher Initiativen im Bereich auf der Agenda. Das ist für sich zunächst leider noch kein Hinweis darauf, ob nun endlich das lange diskutierte „Demokratiefördergesetz“ (besser eigentlich: ein Gesetz zur Förderung demokratischer Kultur) kommt und die Projekte und Träger dauerhaft und auf Gesetzesgrundlage absichert – oder ob lediglich eine kurzfristige Mittelerhöhung angekündigt wird, die schon mit dem nächsten Haushalt wieder kassiert werden könnte.
Um vor der abschließenden Sitzung noch einmal deutlich für ein Demokratiefördergesetz zu werben, haben wir uns gemeinsam mit 60 Organisationen an die Bundeskanzlerin und die Mitglieder des Kabinettsausschusses, darunter Vizekanzler Scholz und Innenminister Seehofer, gewandt. Unseren Brief veröffentlichen wir an dieser Stelle in der Hoffnung, dass die Bundesregierung denjenigen Trägern und Projekten die Existenzsorgen nimmt, die sich auch nach dem Ende des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für eine demokratische, offene Gesellschaft einsetzen werden."
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Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
sehr geehrte Mitglieder des Bundeskabinettsausschusses zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Rassismus,
die Ankündigung, dass Sie, Frau Bundeskanzlerin, sich in Gesprächen mit dem Vizekanzler und dem Bundesinnenminister unter anderem auf eine Verstetigung der Förderung der Extremismusprävention auf hohem Niveau geeinigt haben, wurde in der Zivilgesellschaft dankbar zur Kenntnis genommen.
Wiederholt haben Projektträger und Initiativen auf die Probleme und Ermüdungseffekte hingewiesen, die kurzfristige, projektbezogene und immer wieder unsichere Förderung aus Bundesmitteln hervorrufen. Wir freuen uns, dass Sie diese Sorgen ernstnehmen und nun angehen wollen.
Förderung und staatliches Handeln auf Gesetzesgrundlage stellen
Offen bleibt die Frage, wie dieses Vorhaben konkret ausgestaltet werden soll. Denn nicht zuletzt der Bundesrechnungshof hat in den vergangenen Jahren immer wieder angemahnt, dass eine verstetigte, also strukturelle und längerfristige Förderung auf der gegenwärtigen gesetzlichen Grundlage nicht möglich ist. Der Bund muss sich also zuallererst selbst ermöglichen, strategisch und nachhaltig Maßnahmen zur Extremismusprävention und Demokratieförderung, zur Prävention von Antisemitismus und Rassismus und zur Stärkung von Minderheiten und Betroffenen zu ergreifen. Eine langfristig strategisch ausgerichtete Förderung heißt gerade nicht, dass nicht auch explizit geeignete Maßnahmen zur Qualitätskontrolle der Projekte und die Möglichkeit, flexibel auf Bedarfe zu reagieren, gegeben sein müssen. Ein geeignetes Mittel hierzu ist ein Demokratiefördergesetz, das nun schon länger Gegenstand der Diskussion ist.
Das gilt nicht nur für die Förderung zivilgesellschaftlicher Projekte, sondern auch für die eigenen Maßnahmen des Staates. Ein Demokratiefördergesetz könnte beispielsweise auch die Ämter der Antisemitismus- und Rassismusbeauftragten gesetzlich festschreiben. Allgemein böte das Gesetz einen rechtlichen Rahmen für die im Rahmen des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu beschließenden Maßnahmen.
Zivilgesellschaft nachhaltig stärken
Ebenso wenig geht es nur um eine finanzielle Absicherung zivilgesellschaftlicher Träger und Initiativen. Engagement gegen Menschenfeindlichkeit und für demokratische Kultur wird seit Jahren angegriffen wie nie zuvor, nicht zuletzt auch durch rechtsradikale Fraktionen in den Parlamenten. Die Wächter- und Anwaltsfunktion einer kritischen Zivilgesellschaft gesetzlich zu schützen ist in dieser Situation wichtiger denn je für unsere liberale und offene, demokratische Gesellschaft. International ist es eben auch die mehr oder weniger abgesicherte Arbeit von NGOs, an der wir die demokratische Verfasstheit von Gesellschaften messen. Ein Demokratiefördergesetz folgt hier den Empfehlungen des Ministerkomitees des Europarats und hätte EU-weit Vorbildfunktion.
Bundeskompetenzen wahrnehmen
Extremismusprävention ist eine zentrale gesellschaftliche Herausforderung und der Staat reagiert auf eine konkrete – teils potenzielle, teils realisierte – soziale Gefahrenlage, die von verfassungsfeindlichen Bestrebungen ausgeht. Damit erfüllt das Aufgabenfeld zentrale Merkmale der öffentlichen Fürsorge, für die laut Art. 74 Abs. 1 Nr. 7 GG der Bund Gesetzgebungskompetenz hat. Abzugrenzen ist das Betätigungsfeld der Prävention von sowohl der Gefahrenabwehr als auch der Bildung, die den Ländern obliegen. Wie die Bund- Länder-Zusammenarbeit im Einzelnen aussehen kann, lässt sich etwa über einen engen Einbezug des Bundesrates klären.
Lassen Sie uns deutlich sagen: Die bisherige Form der Unterstützung von zivilgesellschaftlicher Demokratiearbeit ist demotivierend und ohne eine gesetzliche Grundlage bleibt der vereinbarte Regierungskompromiss ohne Substanz. Ohne Demokratiefördergesetz schwebt über unserer Arbeit die Sorge, dass im schlimmsten Fall bereits 2022 die Debatte wieder von vorn losgeht, die Mittel zusammengestrichen oder umverteilt werden und die so wichtige Arbeit vieler Projekte erneut in Frage gestellt wird. Auf Grundlage der Bundeshaushaltsordnung können aktuell auch gut evaluierte und erprobte Projekte nicht dauerhaft gefördert werden.
Um diese Missstände zu beheben, bitten wir Sie: Verabschieden Sie im Rahmen des Kabinettsausschusses gegen Rechtsextremismus und Rassismus Eckpunkte für ein Demokratiefördergesetz, das bis zum Ende dieser Legislaturperiode umgesetzt wird.
Mit freundlichen Grüßen
Foto: Fred Moon | Unsplash