Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) will sich weltweit für starke und gerechte Gesellschaften einsetzen. Um in diesem Zuge strukturelle und systemische Ursachen für fehlende Gleichstellung zu überwinden, wurde die deutsche Strategie für eine feministische Entwicklungspolitik entwickelt. Darin ist festgehalten, dass das BMZ sich besonders für eine geschlechtergerechte digitale Transformation, die Schließung der digitalen Geschlechterkluft (Gender Digital Divide) und für einen für alle zugänglichen, sicheren und inklusiven digitalen Raum einsetzt. In diesem Zusammenhang hat betterplace lab mit Unterstützung der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), gefördert durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), eine Forschungspublikation mit dem Titel „Klüfte überwinden, Machtstrukturen abbauen! Feministische Entwicklungspolitik und die digitale Transformation verknüpfen!”(englisch: "Bridging Divides, Dismantling Power Structures!" Linking Feminist Development Policy and Digital Transformation") herausgegeben, die im Herbst 2023 erscheinen wird.
Die vorliegende Trendstudie stellt dar, welche Herausforderungen, Bedarfe und Potenziale in diesen Bereichen bestehen und gibt einen Ausblick auf die Bereiche Zugang, Nutzung und Gestaltung von digitalen Technologien. In Handlungsempfehlungen erläutert die Studie, wie ein "3R-Ansatz" die Rechte, Ressourcen und Repräsentanz von Frauen und Mädchen in all ihrer Diversität und marginalisierten Gruppen stärken und fördern kann.
Expert*innen und Vertreter*innen verschiedener zivilgesellschaftlicher Organisationen aus der Majority World haben die Interviews und das Roundtable-Gespräch um wertvolle Perspektiven und Wissen ergänzt, damit die vorliegende Trendstudie die tatsächlichen Bedarfe von Frauen und Mädchen in all ihrer Diversität und marginalisierten Gruppen abbildet. Zudem steuerten Gastautor*innen aus verschiedenen Ländern Beiträge zu den Themen Digitale Wirtschaft, Tech-Governance, Daten, Dekolonialisierung, Klimagerechtigkeit sowie Aufbau und Stärkung von Bewegungen bei.
Betrachtet man das Geschlechterverhältnis bei der Nutzung des Internets, so besteht stets ein Unterschied zugunsten der Männer. Frauen und Mädchen sind häufiger geschlechtsbasierter digitaler Gewalt ausgesetzt. Nur 29 % der MINT-Beschäftigten sind Frauen, die sich wiederum in MINT-Berufen mit weiteren Barrieren konfrontiert sehen, etwa niedrigeren Löhnen oder Diskriminierung am Arbeitsplatz. Digitale Technologien können zudem negative Entwicklungen verstärken, indem sie patriarchale Geschlechterverhältnisse und unterdrückende Strukturen reproduzieren. Gleichzeitig birgt die digitale Transformation aber auch enorme Chancen für mehr gesellschaftliche Teilhabe von Frauen und Mädchen in all ihrer Diversität und marginalisierten Gruppen sowie eine wirkliche Transformation von gesellschaftlichen Verhältnissen. Tagtäglich überwinden Frauen und Mädchen mithilfe von digitalen Technologien wirtschaftliche, politische und soziale Mobilitäts- und Partizipationsbarrieren und nehmen ihre Lebens- und Zukunftsgestaltung selbst in die Hand.
Um die Ungleichheit, die der digitalen Transformation gegenwärtig immanent ist, zu überwinden, werden ganzheitliche Ansätze gebraucht, in denen gleichermaßen alle zentralen Akteur*innen einschließlich der Regierungen und politischen Entscheidungsträger*innen, der Wissenschaft, der großen Technologieunternehmen, des Privatsektors, der Zivilgesellschaft und vor allem der Frauen* und Randgruppen,konkrete Anstrengungen unternehmen. Langfristige entbürokratisierte Finanzierung und Programmplanung sind unerlässlich und müssen sich mit Bedacht auf Mikrofaktoren an unterrepräsentierten Gruppen, einschließlich Frauen und Mädchen in all ihrer Diversität sowie marginalisierten Gruppen orientieren und insbesondere intersektionale und feministische Initiativen unterstützen, die an der Überwindung der digitalen Geschlechterkluft arbeiten. Die Entwicklung und Anwendung von Technologien sind am Gemeinwohl und den Rechten von Frauen und Mädchen in all ihrer Diversität und marginalisierten Gruppen auszurichten. Zugang zu lebenslanger Bildung, einschließlich der MINT-Bereiche, ist zu gewährleisten. Der Einsatz für Chancengleichheit, Freiheit und Sicherheit bei der Berufswahl sowie der Berufsausübung in MINT-Bereichen muss Ziel sein, um so das geschlechterspezifische Lohngefälle in den MINT-Bereichen und insbesondere im IKT-Sektor abzuschaffen.
Die vorliegende Trendstudie schlüsselt konkrete Handlungsempfehlungen mithilfe des 3R Ansatzes nach Rechten, Ressourcen und Repräsentanzen auf, die sich auf die Notwendigkeit von politischen Maßnahmen, Regulierungen und Förderprogrammen, einen sicheren Zugang zu digitalen Infrastrukturen und den Aufbau digitaler Kompetenzen sowie Schul- und Berufsausbildung insbesondere in prekären sozioökonomischen Verhältnissen beziehen. Ebenso wird herausgestellt, dass die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und marginalisierten Gruppen beim Zugang, bei der Nutzung und Gestaltung von digitalen Technologien erforderlich ist und jegliche Programme gemeinsam mit lokalen Expert*innen und Wissensträger*innen zu entwickeln sind.
Zu guter Letzt ist auch in Organisationen und Institutionen ein struktureller Wandel notwendig, hin zu radikaler Diversität und Inklusion, statt Frauen und Mädchen dahingehend unter Druck zu setzen, diesen Wandel von selbst anzustoßen.